Samstag 22. Juni 2024 - 19:30 Uhr WINTERREISEN

Schuberts Winterreise hat als einer der grossen Liederzyklen der Musikgeschichte unzählige Aufführungen, Interpretationen und Deutungen erfahren. Keine Deutung konnte das Werk vollständig entschlüsseln und keine Interpretation kann als die einzig Wahre gelten – diese Tatsachen weisen weniger auf ein schwer zugängliches sondern eher auf ein erhabenes Werk hin, dass viele verschiedene Herangehensweisen verträgt.

Auch mit Bearbeitungen und Instrumentierungen wurde und wird viel experimentiert. Keine dieser Versuche konnten dem Werk schaden, manche konnten sogar neue, unerwartete Facetten aufzeigen. Die Winterreise gibt es unter anderem in den Besetzungen Streichtrio, Streichquartett und Drehleier. Der Tenor und Komponist Daniel Behle schuf eine Fassung für Klaviertrio. Die spannende Fassung für Orchester von Hans Zender betont die harten und aggressiven Aspekte des Werks. Vor geraumer Zeit brachten Peter Schreier und Konrad Ragossnig die höchst erfolgreiche Fassung der Schönen Müllerin für Gitarre und Tenor heraus. Für die Winterreise liegt inzwischen eine Fassung für zwei Gitarren und Tenor vor. Die Erlkings kleiden Schubertlieder gar in ansprechende Poparrangements und haben grossen Erfolg damit.

Einzelne Lieder aus der Winterreise wurden auch schon in Begleitung des Akkordeons aufgeführt. Dieses Instrument ist eines der vielseitigsten überhaupt und wird in nahezu allen Musikgenres eingesetzt. Es lag also nahe, sich mit dieser Möglichkeit auseinanderzusetzen. Auf dem Akkordeon kann die originale Klavierfassung praktisch unverändert gespielt werden und sein Klang vermag die unterschiedlichsten Stimmungen zu zaubern. Diese Qualitäten kommen dem Gefühlsspektrum der Winterreise sehr entgegen. Neben der Melancholie und dem Leiden vermag das Akkordeon auch den morbiden, weinerlichen und grotesken Aspekten Ausdruck zu verleihen. Gerade die letzten Lieder des Zyklus bewegen sich in diesem Bereich.

Wie geht eine Lyrikerin aus unserer Zeit mit dem Themenbereich Vereinsamung, Depression und Isolation um? Die erfolgreiche Schweizer Autorin Simone Lappert handelt in ihrem Gedichtband «längst fällige verwilderung» rund zweihundert Jahre nach Schubert ähnliche Gefühle aus einer distanzierten, ironischen, mitunter aber auch bewegenden Optik ab.

In der Komposition von Matthias Heep, erhält Lapperts virtuoser Sprachwitz eine illustrierende und erweiternde Sinnhaftigkeit. Das Klangspektrum des Akkordeons dient dabei als musikalisches Bindeglied zwischen den beiden gegensätzlichen musikalischen Welten. Wo sich die Stimmungslagen der aus verschiedenen Epochen stammenden Lyrik und Musiken treffen, versprechen wir uns unvermutete und bereichernde Einsichten.