ein paar Gedanken zum Projekt

Es ist sonderbar, dass wir uns heute im Konzert meistens Musik aus vergangen Zeiten anhören. „Neue Musik“ wird als Randerscheinung des Konzertbetriebs betrachtet und meist nur von einer kleinen Minderheit geschätzt.
Wo ist der Grund dafür zu suchen ?
Im Verlaufe der Entwicklung des Konzertwesens hat die Arbeitsteilung zwischen Komponisten und Interpreten zugenommen. Wenn zu Zeiten des Barocks ein Musiker neue Stücke ‚erfand’, so war er es auch, der dem Publikum diese Neukompositionen zu Gehör brachte. Corelli, Couperin und Bach waren gefeierte Interpreten; in ihren Konzerten ging es darum, die Zuhörer für die damals „neue Musik“ zu begeistern. So erstaunt es auch nicht, dass damals kaum Werke aufgeführt wurden, die früher komponiert worden waren.
Im Laufe der Zeit wurden die Kompositionen komplexer, die Anforderungen an die Musiker und ihre instrumentalen Leistungen eröffneten neue Dimensionen. Aus diesem Grunde entstand eine zunehmende Arbeitsteilung zwischen Komponisten und Interpreten. Die Qualifikationen als Komponist und als Interpret begannen sich voneinander zu entfernen. Und der Interpret wurde zu einem ‚Dienstleister’ an der komponierten Musik.
Gleichzeitig entwickelte sich die Musikkultur von der anfänglich vor allem unterhaltenden und geistlichen Zielsetzung zu einer Kunstform, die anregen, zur Auseinandersetzung auffordern will. Das Publikum wurde zunehmend damit konfrontiert, sein Weltbild von dem durch die Künstler Präsentierten in Frage stellen zu lassen – und diese Meinungsverschiedenheiten auszuhalten. Eine Folge davon war, dass das Publikum begann, Bewährtes und Älteres der „Neuen Musik“ vorzuziehen. Die Interpreten (und Konzertveranstalter) sahen sich gezwungen, diesem Bedürfnis der Zuhörer zu entsprechen.
Diese Faktoren führten dazu, dass heute in der Konzertsälen die zeitgenössische Musik ein Randdasein fristet, sehr zum Leidwesen der schöpferisch tätigen Musiker, der Komponisten.
Als mir die Gelegenheit angeboten wurde, eine „carte blanche“ für die Abendkonzerte zu gestalten war es mein erstes Anliegen, für die zeitgenössische Musik eine Lanze zu brechen. Diese Musik geht uns direkt etwas an, ihre Schöpfer leben unter denselben Bedingungen wie wir heutigen Interpreten und Zuhörer.
Vier Komponisten haben für das Konzert je ein Werk geschrieben. Aus ganz verschiedenen Quellen ziehen sie ihre Inspiration, mit ganz verschiedenen Mitteln setzen sie ihre Klangvorstellungen um. Kreativität und künstlerisches Empfinden sind heute offensichtlich nicht seltener als früher.
Wir Zeitgenossen freuen uns, diese zeitgenössischen Werke aufzuführen und dem zeitgenössischen Publikum vom 19. Oktober zu Gehör zu bringen.
 
Lorenz Hasler, ende August 2014